Ich habe angefangen mich mit diesem Thema zu beschäftigen als ich bei einem Konzert am Pult stand und es mich genervt hat, dass ich den Panregler maximal auf 9/3 uhr stellen wollte und ich genug Zeit hatte mal was neues auszuprobieren. Als ich diese Methode dann später auch noch bei einem Kollegen gesehen habe, wollte ich mich näher damit Beschäftigen. Ich habe im Internet zahlreiche Artikel dazu gefunden, allerdings nur im Studiokontext und nicht für Livesound. Let's try to fill this gap:
Nehmen wir an wir machen FOH auf einer Festival Bühne. Links und Rechts hängen unsere Line-arrays 20m auseinander. Irgendwo nach 30-40m steht der FOH im Sweetspot.
Unsere Aufgabenstellung ist klar: So viele Besucher wie Möglich sollen den besten Sound wie möglich hören können.
Wir sind uns bewusst das ein wirkliches Stereoerlebnis maximal für einen kleinen Teil der Besucher möglich ist, nämlich jene, welche sich zwischen den Lautsprechern, mittig mit genug Abstand zur Bühne befinden.
Um zu Verstehen wie panning eigentlich funktioniert machen wir einen kurzen Ausflug in die Biologie. Das Gehirn des Menschen macht an hauptsächlich zwei Merkmalen fest woher ein Schallereignis kommt.
An der Intensität, sprich Lautstärke. Unser Kopf wirkt bei hohen Frequenzen als eine Art Schallschatten was dazu führt das wir Schallereignisse, die Links von uns passieren, auf dem rechten Ohr leiser hören. Im Umkehrschluss gilt: Das tiefe Frequenzen mit einer großen Wellenlänge sich einfach um den Kopf beugen und fast genauso laut auf dem zweiten Ohr ankommen. Diesen intensitäts Unterschied beeinflussen wir mit dem Panregler wenn wir etwas pannen.
Zurück in die Praxis auf unsere große Festival-Bühne. Wie im Stageplot zusehen, ist unsere E-Gitarre auf der rechten Seite. Es braucht nicht viel Fantasie, um die Idee, sie auf die rechte Seite zu pannen, gut zu finden.
Nur wenn wir jetzt einfach zum Panregler greifen, vermiesen wir einem Haufen Leuten das Konzerterlebnis, nämlich allen die sich Links von der Bühne befinden und die Gitarre wenn überhaupt leise als bleed von dem rechten Line-array hören.
Grund genug für viele Engineers komplett aufs Panning zu verzichten.
Und genau da findet sich eine sehr gute Anwendung für das sogenannte Precedence Panning.
Was im Studio mit viel Vorsicht genossen wird, da es bei einer Monosummierung zu Phasing, Kammfilter und ähnlichen unerwünschten Effekten führt, kann im Livebereich ein adäquates Mittel sein um den Besuchern in der „Sweet-area“ ein Stereobild zu geben ohne den Besuchern am Rand wichtige Musikanteile „zu klauen.“
Es ist in der Praxis, mit modernen Digitalpulten, relativ einfach zu bewerkstelligen. Man routet sich die zu pannende Gitarre auf zwei Inputkanäle, pannt sie mit dem Panregler hart Rechts und hart Links und verzögert in unserem Beispiel den linken Kanal. Et voilá der Eindruck entsteht sie kommt von Rechts.
Der zeitliche Bereich in dem dieser Effekt funktioniert ist nur sehr klein, und wie fast immer in der Tontechnik mit einem Kompromiss behaftet.
In diesem Fall zwischen leichtem Kammfilter, der ein bisschen Welligkeit in den Frequenzgang des Instruments bringt und Stereo lokalisation. Als Richtlinie kann man sagen, das es meistens um die 1,5ms braucht um das Signal aus einer Richtung zu hören. Das ist sehr von dem Signal abhängig und läd zum ausprobieren ein. Wo hohe und perkussive Signale manchmal nur 1ms brauchen um richtig geortet zu werden, können es bei langen, tiefen Signalen 2-3ms sein. Generell kann man sagen wenn es über 5ms nicht funktioniert wird es für dieses Signal auch nicht funktionieren. Lass den Bass in der Mitte.
Wichtig ist, sich klar zu machen, dass durch Anwenden von Precendence Panning sich das gepannte Instrument in der „Sweet-area“ mit jedem ändern der Delayzeit klanglich leicht verfärbt. Das ist insbesondere Wichtig da unser Gehirn davon aus geht, dass tonale Veränderungen im direkten Zusammenhang mit dem Instrument stehen und nicht unabhängig davon sind. Soll heißen: Delayzeit einmal im Soundcheck einstellen und dann während der Show nicht mehr anfassen.
Du hast nämlich noch deine Fader um Korrekturen vorzunehmen.
Willst du den Effekt auf der linken Seite drastischer haben, nimmst du einfach ein Bisschen den Fader auf der rechten Seite runter. Und arbeitest wieder mit Intensitätspanning zur Unterstützung des Precedence Panning.
Das Ergebnis dieser Technik ist, dass die Gitarre laut aus beiden Line-arrays kommt und für das komplette Publikum zuhören ist. Und das die glücklichen Menschen in der Sweet-Area immer noch den Eindruck haben die Gitarre kommt von rechts.
Abschliessend gilt zu sagen: Probieren geht über Studieren, wenn es anfängt phasig zu klingen hast du wahrscheinlich zuviel Delay benutzt. Immer vorrausgesetzt die Anlage ist vernünftig eingemessen und macht nicht schon von alleine komische Phasing-Sachen.
04.04.18 Janos Münker